Unter Bayerns Krone

01 Kein einigendes Vaterland
--- 01 Auf Souveränität bedacht
02 Große Namen und
--- Großzügige Spenderin
03 Armut und Wohlfahrt
04 Stetes Wachstum
05 Erlangen behält die Universität
--- 01 Stadt wuchs nach Osten
--- 02 Getrennte Klassen
06 Brennholz war teuer
07 Jubel für Preußen
--- 01 Die Industrialisierung
08 Ungehorsam gezeigt
--- 01 Ein Klima der Angst
--- 02 Ritt auf Eseln

 

09 Es geht aufwärts und
--- 22 Sonderzüge fuhren
------- Alle Schichten vereint
10 Großzügiger Uni-Ausbau
11 Kinderfreuden
--- 01 Das Erlanger Blasrohr
--- 02 Spione und dicke Männer
--- 03 Zwei Briefkästen

12 Ein Mann mit Weitsicht
13 Eine große Investition
14 1918 war die Zeit der Könige
..... und Kaiser vorbei
--- Flottenverein gegründet

 

 

11 Kinderfreuden

Erinnerungen aus den 70er Jahren in Erlangen

Der Mediziner Gustav Poelchau, 1865 in Riga geboren und 1955 in Berlin gestorben, berichtet in seinen Erinnerungen von vier in Erlangen verbrachten Jungen-Jahren. 1873 bis 1877, also bald nach der Gründung des Kaiserreiches, lebte er hier mit seinem Vater und seinem Bruder, bevor sie nach Riga zurückkehrten.

11.01 Das Erlanger Blasrohr

Anschaulich erzählt Poelchau von Lausbubenstücken:

"Bei unseren Spielen war das Blasrohr ein sehr beliebtes Gerät. Es gab in Erlangen solche in vorzüglicher Art, aus einer Holzstange aus einem Stück gebohrt. Ursprünglich zum Anblasen des Feuers im Ofen bestimmt, waren diese Rohre als Spielgerät und Waffe unter der Jugend allgemein verbreitet. Als Geschoss dienten Kugeln aus gekautem Zeitungspapier, die nur so lange verwendet wurden, als sie noch feucht waren. Außerdem hatten sie dann den Vorzug, dass sie am Ziel kleben blieben, was seinen besonderen Reiz dann hatte, wenn dieses Ziel die Fensterscheiben der Nachbarhäuser waren. Aber auch Lehmkugeln wurden verwendet, mit denen man selbst noch ziemlich kleine Ziele treffen konnte. So haben wir oft durch die Astlöcher unseres Gartenzaunes geschossen und uns bemüht, die friedlich vorbeiziehenden, vor die Leiterwagen gespannten Rinder in die Nasenlöcher zu treffen."

11.02 Spione und dicke Männer

Manche nebenbei erwähnten Beobachtungen des von auswärts kommenden Jungen werfen ein Schlaglicht auf das Alltagsleben in dem noch recht kleinstädtisch wirkenden Ort:

"An den meisten Fenstern waren Spiegel, so genannte Spione, angebracht, damit die im Zimmer sitzenden Frauen nur ja nichts von den Vorgängen auf den Straßen versäumten."

Gustav Poelchau erinnert sich auch:
"Die Handwerker arbeiteten vielfach vor ihren Häusern auf den Straßen, so uns gegenüber ein Böttcher, der große Bierfässer baute und dabei recht viel Lärm machte. Das Bier spielte überhaupt eine große Rolle, fast eine größere als die Universität. Den ganzen Tag, schon früh am Morgen, sah man Frauen und Kinder auf den Straßen, die in Seideln und Krügen Bier aus den zahlreichen Wirtschaften holten. Auch kleine Kinder bekamen schon Bier zu trinken. Die Folge des reichlichen Biergenusses war, dass man so zahlreiche auf geschwemmte, dicke Männer sah, wie es in Norddeutschland kaum der Fall ist."

11.03 Zwei Briefkästen

Mehrmals täglich geleert

Briefkästen tauchten erstmals im Juni 1849 auf. Nach der Genehmigung durch die "Generalverwaltung der bayerischen Posten und Eisenbahnen" konnte damals einer m der Altstadt (Hauptstraße 72). ein zweiter in der oberen Friedrichstraße (Nr. 26) aufgestellt werden. Sie wurden drei Mal geleert: um 10.30 Uhr, um 13.3o Uhr und um 19.30 Uhr).

Bis 1900 hatte sich die Anzahl der Briefkästen auf 32 erhöht. Nun erschien der Postbeamte sechs Mal, an Sonn- und Feiertagen fünf Mal zur Entnahme der eingeworfenen Briefe. Die jeweiligen Leerungszeiten waren minutengenau festgelegt, so exakt wie der Fahrplan der Züge: Der am Nürnberger Tor stehende Briefkasten z. B.

um 7 42, 10.42, 14.22, 16.42, 18.57 und 21.42 Uhr.

Mit der Gemütlichkeit der "guten alten Zeit" war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbar weitgehend vorbei. Die Städter gewöhnten sich im alltäglichen Leben an die Einhaltung und die Gültigkeit festgelegter Uhrzeiten. Die Anforderungen der industriell organisierten Arbeit und die dadurch erzwungene "Fabrikdisziplin" hatten zur Beachtung der Pünktlichkeit entscheidend beigetragen.


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