Verschenkte Freiheit

01 Reaktion stoppt revolutionären Aufbruch
--- 01 Freistaat Bayern ausgerufen
--- 02 Erlanger im Freikorps Epp
--- 03 Erste Wahlen
--- 04 Versailles und die Folgen
--- 05 Krisenjahre der Republik

02 Gespaltene Stadt
--- 01 Gespaltene Stadt
--- 02 Seit 1922 aktiv in Erlangen
--- 03 Auf dem Weg in die Diktatur

 

03 SA schlug sofort zu
--- 01 Keine absolute Mehrheit
04 Das Ende mit Schrecken
--- 01 Öffentlicher Antisemitismus
--- 02 Alltag in der Diktatur
--- 03 Tod und Zerstörung
05 Zeitzeuge

 

 

01 Reaktion stoppt revolutionären Aufbruch

Von der Monarch, zur Republik - Provisorischer Arbeiter- und Soldat übernahm in Erlangen öffentliche Gewalt

Zum schwarzen Tag des Heeres wurde der 8. August 1918, als ein alliierter Tankangriff tief in die deutschen Linien eindrang. Folgen dieser Offensive waren Gehorsam-Verweigerungen ganzer Truppenverbände und Auflösungserscheinungen in der Armee. Der Appell Otto Seilers im Erlanger Tageblatt "Siegen um jeden Preis" erwies sich angesichts der drohenden militärischen Niederlage und wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse als Illusion.

Kreuze auf den Friedhöfen an der Äußeren Brucker Straße erinnern an die Opfer der Wellkriege, die Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte.
Foto: Klaus Springen

Die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff forderte nun einen sofortigen Waffenstillstand und die Umwandlung der konstitutionellen in eine parlamentarische Monarchie. Dagegen verlangte der Nürnberger Landtagsabgeordnete Hans Vogel bei einer Massenkundgebung im Erlanger Eichenwäldchen die Abdankung Wilhelms II. und eine "deutsche Republik".

01.01 Freistaat Bayern ausgerufen

Durch die so genannte "Oktoberreform" wandelten sich alle deutschen Staaten noch vor Kriegsende in parlamentarische Monarchien um, in denen die Regierung vom Vertrauen des Parlaments abhängig war. Die kurze Zeit später ausbrechende "Novemberrevolution" führte dann zum Ende der Monarchie im gesamten Deutschen Reich. Am 7. November 1918 proklamierte der USPD-Politiker Kurt Eisner in München den "Freistaat" Bayern, zwei Tage später riefen Philipp Scheidemann von der konkurrierenden MSPD in Berlin die "Deutsche Republik" und der Vorsitzende des linksradikalen "Spartakusbundes" Karl Liebknecht eine sozialistische Räterepublik aus.

Seit der Matrosenmeuterei in Kiel Anfang November hatten sich außerdem überall im Land Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, deren Mitglieder meist den beiden sozialistischen Parteien MSPD und USPD entstammten. Magistratsrat Ruppenstein und Oberleutnant Wagner vom "Provisorischen Arbeiter- und Soldatenrat" Erlangen übernahmen mit Billigung von Bürgermeister Theodor Klippel die öffentliche Gewalt, um Ruhe und Ordnung sicher zu stellen. Um den Schwarzmarkt einzudämmen, errichtete die Stadt am Zollhaus und im Durchgang des Redoutensaals eigene Verkaufsstellen für Lebensmittel ein und regelte deren Verteilung durch Ausgabe von Bezugsscheinen.

Bis zur Wahl einer verfassungsgebenden Nationalversammlung im Januar 1919 funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Räten und den städtischen Behörden ohne größere Probleme, dennoch standen die Vertreter der neu gegründeten bürgerlichen Parteien und der Universität diesen in der Revolution geborenen Gremien ablehnend gegenüber. Mit der Landtagswahl vom Januar 1919 war auch in Bayern die Entscheidung für eine parlamentarische Republik gefallen und die Räte hatten ihre Existenzberechtigung verloren.

01.02 Erlanger im Freikorps Epp

Nach der Ermordung Kurt Eisners durch den rechtsradikalen Graf Arco-Valley wählte der Landtag einige Wochen später den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann zum Bayerischen Ministerpräsidenten, den die Münchner Rätevertreter entschieden bekämpften. Als diese Anfang April eine sozialistische Räterepublik proklamierten, verlegte Hoffmann den Sitz der Bayerischen Regierung nach Bamberg und nahm den Kampf gegen die radikalisierenden Münchner Machthaber auf.

Sowohl der Erlanger Arbeiter- und Soldatenrat als auch die Garnison und die vom Fabrikaten Friedrich Resenscheck kommandierte Einwohnerwehr standen hinter der gewählten Regierung. An der militärischen Liquidierung der kommunistischen Räterepublik durch Reichswehrtruppen und Freikorps beteiligten sich viele Erlanger Studenten, die im Freikorps Epp dienten.

Die Herausforderung durch den Linksradikalismus führte in der Folgezeit dazu, dass sich eine antisemitische und antibolschewistische "Ordnungszelle" Bayern herausbildete nicht zuletzt deswegen, weil führende Vertreter der Räterepublik Juden, Kommunisten und Russen waren. In Kreisen der Erlanger Studentenschaft stieß die antisemitische Hetz auf große Resonanz. Der Antisemitismus bildete die Basis für die 1919 gegründete NSDAP, die von München aus ihren Siegeszug antrat.

01.03 Erste Wahlen

Auch die Erlanger Gemeindewahlen im Juni des gleichen Jahres bestätigten die politische Wende in Bayern, denn der Hauptverlierer war die Sozialdemokratie mit 36,9 Prozent, die bei der Wahl zur Nationalversammlung im Januar noch über 50 Prozent der Stimmen erhalten hatte, während die bürgerlichen Parteien (DDP, DVP, BVP, Mittelpartei) künftig die Mehrheit im Stadtparlament stellten.

Zum ersten Mal wurden auch zwei Frauen, die Weberin Margarete Dressel (SPD) und die Volksschullehrerin Elise Späth (DDP) gewählt. Theodor Klippel, seit 1892 Bürgermeister, blieb im Amt, er leitete die Geschicke Erlangens bis zum Jahr der Weltwirtschaftskrise 1929 und verkörperte die Kontinuität in der Kommunalpolitik.

01.04 Versailles und die Folgen

Die junge Republik von Weimar hatte die Belastungen des Friedensvertrages von Versailles zu tragen, dessen Entwurf die Siegermächte des Weltkrieges dem deutschen Volk im Mai 1919 präsentierten. Eine Protestkundgebung gegen das "Schanddiktat" auf dem Erlanger Markt- und Schlossplatz am 15. Mai einte alle Parteien bis hin zur USPD.

An die "Fesseln von Versailles" sollte das Kriegerdenkmal erinnern, das die Universität 1930 im Schlossgarten aufstellen lieft. Ein Erlanger Original, der "Uno-General" genannte Patient der einstigen Heil- und Pflegeanstalt Josef Greil; bekannte sich dazu, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die US-Armee zum Schleifen dieses Steins ermuntert zu haben.

Die Revision des "Gewaltfriedens" blieb das Ziel der Außenpolitik von Weimar, die Agitation gegen "Versailles" benutzte die nationalistische Rechte auch im Kampf gegen die demokratische Republik, deren Vertreter den Vertrag unterzeichnet hatten. Selbst die Universität ließ noch 1930 im Schlossgarten ein pompöses Kriegerdenkmal enthüllen, das an die "Fesseln von Versailles" erinnern sollte.

01.05 Krisenjahre der Republik

Die ungeheuren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Nachkriegszeit fanden im Krisenjahr 1923 ihren Höhepunkt, als durch Ruhrkampf, Hyperinflation, Putsche und Aufstände von links und rechts die Republik an den Rand des Abgrunds geriet. Mehr als die Hälfte der 28000 Einwohner Erlangens waren auf öffentliche Unterstützung angewiesen, täglich gab die von amerikanischen Quäkern eingerichtete städtische Volksküche (Wasserturmstraße 16) 900 Essensportionen aus und versorgte ungefähr 400 Kinder mit Nahrungsmitteln.

Der passive Widerstand gegen die Ruhrbesetzung führte in fast allen Betrieben der Stadt zu Kurzarbeit, 1800 Menschen meldeten sich arbeitslos.


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