Der Weg in die Gegenwart
01 Kultur
angepackt |
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06 Anerkannte Umweltpolitik
Noch im gleichen Jahr gab es in der Oberen Karlstraße /
Hauptstraße einen Probelauf Fußgängerzone. Bis zur Einführung
der Fußgängerzone in der Hauptstraße und der Verkehrsregelung
in der Goethestraße (gedacht war an eine Verkehrsberuhigung) sollte es
jedoch noch zwölf Jahre dauern, bis die "Grüne Liste" mit
im Boot saß.
Die historische Innenstadt ist bis heute ein Problem geblieben. Aber es gibt
sie wenigstens noch. Beispiele wie die Goethestraße 34 oder die Eckhäuser
Haupt-/Heuwaagstraße oder Goethestraße/Innere Brucker Straße
zeigen, wie sich das schon angeschlagene Herz der Stadt ohne Zäsur hätte
entwickeln können. Eine rein rhetorische Frage hilft dies zu verdeutlichen:
Wenn man heute den Siedlungsraum Erlangen mit 300 000 Bürgern ansetzt,
was wäre da alles möglich geworden, wenn schon 1970 das Gespenst umging,
bei mehr als 150 000 Menschen wäre ein Meistern des Verkehrs ohne völlige
Zerstörung der Innenstadt nicht möglich.
Die Entwicklung der Innenstadt aus eigenen Kräften heraus war in den 60ern durch eine Veränderungssperre erschwert. Hausbesitzer vermieteten ihren vernachlässigten Besitz nach Erlangen geholten ausländischen Arbeitskräften. Erst nach 1972 regte sich wieder Leben in der Innenstadt, nachdem schon von einer beginnenden Slumbildung die Rede war.
06.01 Auf Fassaden geachtet
Altstadthäuser wurden ein attraktives Immobiliengeschäft,
und manch einen schmerzte es, wenn wieder einmal die Abrissbirne 200 bis 300
Jahre alte Mauern zum Einsturz brachte. Bei den Neubauten wurde wenigstens nach
außen hin stadtbildverträglich die Fassade gestaltet. Aber viele
der für Erlangen typischen Innenhöfe verschwanden in dieser Zeit.
Wurde auf der einen Seite die historische Innenstadt aufgepeppt, so auf der
anderen der Neue Markt weiter geschäftsfreundlich aufgerüstet. Versucht
man heute den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Erlangen zu erklären,
mag einem Paris einfallen, wo es - getrennt durch die Seine - ein umtriebig,
geschäftiges "rive droit" (rechtes Ufer), und gemütliches,
individuelles "rive gauche" (linkes Ufer) gibt. Und wenn man gleich
der Seine hier in Erlangen die Grenze zwischen den beiden Teilen ziehen will,
so liegt diese im Bereich des früheren Nürnberger Tores, wobei für
manchen Erlanger die "Brasserie" schon äußerster Vorposten
ist.
Die Überzeugung der Gleichwertigkeit von Ökologie und Ökonomie
prägten Hahlwegs Umweltpolitik, die das Ziel eines möglichst konsequenten
kommunalen Umweltschutzes hatte. Besuchergruppen machten scharenweise der Stadt
ihre Aufwartung, um die Bemühungen um eine ökologische Stadtentwicklung
mit umweltfreundlicher Verkehrspolitik und einer engagierten Landschafts- und
Gartenplanung kennen zulernen. Für manche blieb es beim Image Erlangens
als "Die Radfahrerstadt".
Zur lokalen Umweltpolitik zählte mehr als Schauveranstaltungen wie "Grün
in Erlangen" 1976, 1982 und in dritter Auflage 1987. Dazu gehörte
auch Modernisierung von Kläranlage und Hauptsammler, Ausbau des Fernwärme-
und Erdgasnetzes, Rauchgasreinigung der Kraftwerke, Förderung des Energiesparens
in städtischen und privaten Gebäuden, das Radwegenetz, der öffentliche
Nahverkehr mit Alternativplanungen wie H-Bahn oder Stadt-Umland-Bahn oder die
Direkteinspeisung von Solarstrom in das Netz der Stadtwerke. Zu den Anerkennungen
seiner Politik gehören die Aufnahme in die UN-Ehrenliste "Global 500",
der Titel "Bundeshauptstadt für Natur- und Umweltschutz" als
Sieger im Kommunalwettbewerb der deutschen Umwelthilfe oder die Kür als
fahrradfreundliche Stadt der Bundesrepublik durch die Stiftung Warentest.
Die Hahlweg-Stadtregierung begleitete auch die neue Bonner Ostpolitik. Auslandskulturtage
wie "Begegnung mit Polen" (1976) gehörten dazu wie 1983 das Herantasten
an die Städtepartnerschaft mit Wladimir in der damaligen Sowjetunion, die
1987 mit einer Partnerschaftsvereinbarung bekräftigt wurde. Damals, wo
die Wiedervereinigung noch ein Wunschgedanke war, schloss Erlangen auch die
Städtepartnerschaft mit Jena.
Heutige Partnerstädte Erlangens sind
Eskilstuna in Schweden,
Rennes in Frankreich (beide von Heinrich Lades
initiiert),
Jena und Wladimir,
Stoke-on-Trent in Großbritannien und (zusammen mit Nürnberg)
San Carlos in Nicaragua.
Hahlwegs Regierungszeit fiel in eine Zeit großer Umbrüche.
Kurz nach Amtsbeginn zeigte die erste große Ölkrise deutlich die
Grenzen politischer Machbarkeit auf. Dazu kam dass bald auch die sozialliberale
Koalition in Bonn gezwungen war, die Umweltpolitik zurückzufahren. Die
Folge war eine außerparlamentarische ökologische Bewegung, die sich
in vielen Bürgerinitiativen und auch später in der Gründung der
Partei "Die Grünen" niederschlug. Zu den auf lange Sicht veränderten
Konjunkturdaten kam dann das Problem der Arbeitslosigkeit, speziell auch der
Jugendarbeitslosigkeit. Namhafte Firmen machten in Erlangen dicht, darunter
die Erba oder Frankenjura. Erlanger Traditionsunternehmen wie Gossen verkleinerten
sich und verließen die Stadt.
Trotz dieser vielfältigen Aufgaben: Die Verkehrs- und Planungspolitik blieb
über Jahre hinweg das kommunalpolitische Streitthema zwischen Stadtregierung
und -Opposition: Es spaltete, verärgerte oder langweilte auch die Bürgerschaft.
Deutlich wurde darin die parteipolitische Rivalität der Parteien. Die Konfrontation
ließ erst 1988 nach, als ein CSU-Bürgermeister und neue Referenten
ins "Stadtkabinett" kamen.
06.02 "Medical Volley"
Neu in dieser Mannschaft war Wirtschaftsreferent Siegfried Balleis. Er konnte in dieser Funktion in die Aufgaben wachsen, die ihn erwarteten, als er 1996 zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Hahlweg, der gerne nach dem Abzug der US-Army 1993 noch die Entwicklung der "Neustadt Ost" (heute: Röthelheimpark) begleitet hätte, trat nicht mehr zur Wahl an.
Siegfried Balleis hatte schon als Fachreferent an der Planung des "Medical Valley" aus der Achse Erlangen - Forchheim mitgewirkt. Nun als Oberbürgermeister propagierte er das Ziel,
"Bundeshauptstadt der medizinischen Forschung, Produktion
und Dienstleistung" zu werden. Verschiedene Projekte konnten in Angriff
genommen werden. Es wurde der Grundstein gelegt für das
Nichtoperative Zentrum des Uni-Klinikums (1997),
die Siemens-Med-Fabrik im Röthelheimpark (1998),
den Gesundheitspark des TV 1848 (1999),
das neue Gebäude des Fraunhofer-Instituts für
Integrierte Schaltungen HS-A (2000)
und für das Innovationszentrum Medizintechnik und
Pharma.
Und wie so oft: Erlangen in Aufbruchstimmung.
Vorbild dafür ist das seit 16 Jahren erfolgreich arbeitende Innovations-
und Gründerzentrum (IGZ) in Tennenlohe. Bauherr des IZMP ist eine Besitz-
und Immobilien- Verwaltungsgesellschaft (BIVG), deren 100-prozentiger Gesellschafter
die Landesbank für Aufbaufinanzierung (LfA) / Förderbank Bayern ist.
Das Zentralgebäude mit Seminar- und Konferenzräumen, Bibliothek, Hörsaal
und Cafeteria wird sich das IZMP mit einem Universitätsinstitut für
Medizinische Technik teilen, das entlang der Gebbertstraße geplant ist.
Für das Projekt hat die Stadt Erlangen das Grundstück im Wert von
2 560 000 Euro bereit gestellt.
Foto: BIVG
06.03 130 Länder
Multikulturelles Stadtleben
Menschen aus 130 Ländern aller Kontinente leben in Erlangen: Rund 10 000
aus Europa (EU- und Nicht-EU-Länder), 2100 aus Asien, 700 aus Amerika,
500 aus Afrika und 100 aus Australien.
Sie alle stehen für das multikulturelle Leben und die kulturelle Vielfalt
in dieser Stadt, die mit dem Motto "Offen aus Tradition" ihre Aufgeschlossenheit
zum Ausdruck bringen will. In Läden und Lokalen bieten die ausländischen
Mitbürger landestypische Spezialitäten, ein reges Vereinsleben fördert
die Kontakte aller Bürger untereinander. Seit 1974 vertritt der Ausländerbeirat
die Interessen der ausländischen Bevölkerung gegenüber Stadtverwaltung
und Öffentlichkeit. Alljährlich im Herbst lädt er zum Interkulturellen
Monat ein.
Bild folgt:
Die "Estrelas do Brasil" vom Brasilianisch-Deutschen Kreis.
Copyright für "1000 Jahre Erlangen": Erlanger Nachrichten
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