Der Bauplanung am Verwaltungsgebäude der Siemens-Schuckert-Werke AG stand ein in den Jahren 1928/29 erbautes Zweifamilienhaus, das ehemalige Pfarrhaus der benachbarten St. Bonifazius-Kirche, im Wege. Um dem Fortschritt zu dienen und Wohnraum zu erhalten, entschieden sich die Siemens-Schuckert-Werke AG zu einer als wirtschaftlich erkannten Verrollung im Jahre 1950. Damit wurde zum ersten Male in Deutschland ein massives Backsteinhaus über eine größere Entfernung mit Erfolg verrollt. Es war das Jahr, in dem auch die Perlonfaser den amerikanischen Nylons Konkurrenz ansagten. |
Der
Gedanke zu diesem Unternehmen wurde kurioserweise am Stammtisch geboren.
Durchaus scherzhaft gemeint, warf in jener Stammtischrunde einer der
leitenden Ingenieure den Gedanken auf, wie großartig es wäre, wenn
man das Haus kurzerhand auf Rollen stellen und an einen anderen Standort
bringen könnte. Der Gedanke zündete. Bereits am nächsten Tage wurden
die umfangreichen und zeitraubenden geistigen Vorarbeiten, die insgesamt
eine Summe von 10.000 DM verschlangen, in Angriff genommen. "Eine
Verschiebung im ganzen konnte sich auf höchstens zwei Drittel der
Neubaukosten belaufen", lautete die damalige Einschätzung dieser Unternehmung. |
Den
Gesamtauftrag erhielt die Firma Collin & Co., Nürnberg. Als Subunternehmer
für Anfertigung und Lieferung der Transporteinrichtungen sowie Gestellung
von Spezialmonteuren wurde die Firma Noell aus Würzburg gewählt. |
Aus
Profileisen, die die tragenden Wände einklemmten und untereinander
versteiften, wurde der Tragerahmen gebildet. Das 635 t schwere Haus
wurde mit Hilfe von hydraulischen Wasserdruckpressen um 90 cm gehoben,
um darunter die Fahrbahn verlegen zu können. An den Kreuzungspunkten
des Tragerahmens wurden Rollen angebracht. Nach einem Absenken auf
die Fahrbahn war das Haus rollbereit. |
Das
zu verschiebende Gebäude war voll unterkellert, zweigeschossig, der
Dachraum teilweise ausgebaut. Es war in üblicher Backsteinbauweise
errichtet, und zwar Außenwände 38 cm dick (Kellerwände 51 cm), sämtliche
Zwischenwände, mit Ausnahme der 25 cm dicken Trennwand des Doppelhauses,
12 cm dick. |
Drei 5-t-Handkabelwinden bewegten das Haus mittels achtfach übersetzter Flaschenzüge mit einer maximalen Geschwindigkeit von 8 m/h. Ein vierter Flaschenzug war rückwärts zur Sicherung und Steuerung eingesetzt. Am ersten Wendepunkt musste das Haus gehoben, die Rollen um 90° gedreht und danach das Haus wieder abgesetzt werden. Der gleiche Vorgang wiederholte sich am zweiten Wendepunkt. |
Nach
110 m Verschiebeweg sind noch 20 m Strecke zu überwinden. Am Zielort
musst das Haus noch um 7 grd/10 Min gedreht werden, um es in die Straßenflucht
zu bringen. |
Nach
sechs Wochen am 17.3.1950 stand das Haus über seinem vorbereiteten
neuen Fundament und meine Eltern konnten mit 5 Kindern am 8. Juni
1950 einziehen. Die zweite Hälfte war ebenfalls von einer Familie
mit 5 Kindern bewohnt. Zehn Kinder unter einem Dach! Nach den eingeschränkten
Kriegsjahren war das Freiheit pur! |
In
der abschließenden Bewertung dieses Projektes hieß es: "Die erfolgreiche
Durchführung des beschriebenen Projektes beweist, dass nach sorgfältiger
technischer und wirtschaftlicher Prüfung die Verschiebung eines ganzen
Hauses in manchen Fällen dem Abriss vorzuziehen sein wird. Vor allem
bei wertvollen Gebäuden, die unseren neuen Städteplanungen im Wege
stehen, sollte man diese Möglichkeit in Betracht ziehen." |
Erlangen virtuell |
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