Zukunftsszenario 2028: "A-Boari-gyn"

Was haben die Landesausstellung "Frauen in Bayern"
und die Deutsche Bundesbahn gemeinsam?

Nun ist sie vorbei, die Ausstellung "Frauen in Bayern. Von der Völkerwanderungszeit bis heute", die vom Haus der bayerischen Geschichte zwei Jahre früher als geplant, nämlich just im Wahljahr 1998, in Ingolstadt gezeigt wurde. Und die Bayerinnen haben`s ihrem Landesherrn im September wohl tatsächlich gedankt, daß er ihrer Geschichte gedachte.

"Geschichte der Frauen ist immer Geschichte von Frauen und Männern", so erfahren wir aus dem offiziellen Infoblättchen, noch Fragen? Es ist schwer, nicht sarkastisch zu reagieren, bei einer Ausstellung über bayerische Frauengeschichte, zu deren Eröffnung der Landesvater Stoiber einlädt und gleich auch noch die Hauptrede hält und bei deren Ausstellungskatalog die erste Seite wiederum er füllt: Die Ausstellung sei eine gute Ergänzung der bisherigen Geschichtsbilder über Bayern und sie würdige "die Leistungen der Frau für die Familie, die oft genung im Schatten der Männer erbracht wurde. "Oh ja, das tut sie! Warum läßt frau diesen Mann zu einer Ausstellung über Frauen sprechen? Frau ließe ihn nicht, wenn sie dazu gefragt worden wäre. Denn obwohl die Ausstellungsleitung in der Hand eines Frauenteams lag (Dr. Christine Breite, Dr. Agnete von Specht), lag die Oberleitung beim selbstverständlich männlichen Leiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, der sich denn auch ausführlich in der Einleitung des Kataloges über Frauengeschichte auslassen durfte und den "Damen für ihr hervorragendes Engagement für unsere und der Sache der bayerischen Frauen" dankte. Und auch der Ingolstädter OB konnte sich in seinem Grußwort darüber auslassen, daß ja mittlerweile schon eine breite Debatte über "Die Frau heute" in Gang gebracht worden sei, und daß man(n) sich nun also auch mit der Frage "Die Frau gestern" beschäftigen könne. Wie schön, wir beschäftigen uns nun also anstatt mit dem Kleintierzüchterverein im Wandel der Zeiten zur Abwechslung mal mit der Frage der Frau gestern und heute. Auch ganz nett. Und mann tut das in aller Ausführlichkeit und ohne Scham und nicht nur das: Auch mit "der Frau morgen" beschäftigt er sich, nämlich in dem Ausstellungsbereich "Blick nach vorn. Die Zukunft der Frauen in Bayern - Ein Szenario für das Jahr 2028" von einem Herrn Bauernfeind. Fünf Frauentypen der Zukunft stellt er vor und frau darf sich seinen jeweiligen Schubladen zuordnen. Es gibt Frau "Androgyn", die fortschrittlich, karriereorientiert und auf balancierte Selbstverwirklichung aus ist. Das Modell "Globogyn" ist radikal individualistisch, fortschrittsbetont und auf multiples Leben aus (bitte langwierige Erklärung Bauernfeinds selbst nachlesen!), die "Strategyn" dagegen ist planerisch, leitbildorientiert, sozial und kontaktbezogen. Und weil es ja um die bayerische Frau geht, haben wir auch die "A-Boari-gyn", die Naturverbundene und Traditionsgeleitete. Und es gibt im zukünftigen Bayern auch die "Marginale", frau höre und staune, und das sind lt. dem Fachmann die Verlierergruppen des sozialen und kulturellen Wandels. Wegen der "verschärften Konkurrenz zwischen Menschen verschiedener Regionen und Kontinente (...)" können sich einige "die neuen Qualifikationskriterien nicht mehr aneignen: Alleinerziehende; die Nachkommen der Gruppen, die keine adäquaten Startchancen erhalten haben; die Älteren". Migrantinnen gehören nicht zu den "Marginalen", denn die wird es Mithilfe der bayerischen Zukunftspolitik in Bayern im Jahre 2028 nicht mehr geben. Die Lage der "Marginalen" verschlechtere sich noch, so Bauernfeind weiter, durch deren Hang zu "Fundamentalismen (...) und das organisierte Verbrechen, das sich ihrer Probleme annimmt. (...) Schon heute greift die Ghettoisierung zwischen Großstadtslums und glücklichen Dörfern um sich".

Und um den Frauen das Ganze auch noch praktisch vor Augen zu führen, sind diverse Assessoires von Damenhandtaschen ausgestellt, die die Frau im Jahre 2028 augenscheinlich immer noch bei sich trägt: Die "A-Boari-Gyn" hat darin eine Babywindel, die "Globogyn" einen Tampon und so weiter und so fort...

Schon im Vorfeld der Ausstellung hat es breiten Protest gegeben von Seiten der Historikerinnen, die bereits seit Jahren über Frauen- und Geschlechtergeschichte in Bayern arbeiten und auf deren Mitarbeit wohl verzichtet werden konnte. Die gesammelten Kritikpunkte auf dem Historikerinnentreffen 1996 in der Frauenakademie München e.V. (FAM) waren u.a., daß die große abgedeckte Zeitspanne, nämlich 1.500 Jahre, zu grober Verflachung der Darstellung führe und die Aussagefähigkeit fraglich mache. Zu große Gewichtung liege auf der Prähistorie, das 19. und besonders das 20. Jahrhundert werde vernachlässigt. Wie wahr.

Es beginnt alles mit "Bildern von bayerischen Frauen". An erster Stelle "Das Image der Werbung". Noch in Umfragen der jüngsten Zeit über das Image von München würden "hübsche Mädchen" und "Kellnerinnen" als typische Bevölkerungsgruppe genannt. Dies würde "an lang tradierte Vorstellungen von Bayern bzw. seiner Hauptstadt anknüpfen", "an Klischees des bayerischen Stammes (...), die sowohl im Selbstbild der Bayern als auch im Fremdbild von außen als charakteristisch gelten." Außer Beschreibungen der Varianten dieses Bildes und seiner Verbreitung in der Werbung, im Bauerntheater, in Witzen und Karikaturen findet sich keine kritische Analyse dieses Klischees. Warum auch, ist doch der heutige Bayer davon genauso wie gestern noch angetan. Und tatsächlich wirkt doch das hübsche Biermadl immer noch: Die Deutsche Bundesbahn und das Referat für Arbeit und Wirtschaft in München werben mit einer stilisierten blauäugigen, vollbusigen Frau, die eine Biermaß auf dem Kopf trägt für das Oktoberfest. Der lapidaren Feststellung, es hat sich doch nichts geändert, sind wir wohl alle überdrüssig.

Zu den Bildern gehören auch die von Frauen, die als Hexen bezeichnet wurden, doch hier bleibt die Ausstellung, trotz anderslautendem Anspruch, nicht bei der Fiktion, sondern beschäftigt sich (unzureichend) mit der realen Hexenverfolgung. Doch die eigentliche Ausstellung über tatsächliche Frauengeschichte beginnt erst im nächsten Ausstellungsbereich, so, als hätte es Hexenverfolgung niemals gegeben, als sei sie nur eine Wahnvorstellung, eine bildliche Fiktion geblieben.

Das Zentrum der eigentlichen Ausstellung bildet ein Gebärstuhl. Wir dürfen spekulieren, was im Zentrum einer Ausstellung über 1.500 Jahre Männer in Bayern stehen würde. Ringsherum sind Stationen im Leben einer Frau gruppiert, als da wären die Heirat, die natürlich vor der Schwangerschaft angesiedelt ist, und Hausarbeit, die nicht unter dem Bereich "Frauenarbeit" zu finden ist, sondern eben unter jenen "Lebenswelten der Frau" rings um die Geburt. Die Geschichte der bayerischen Frau ist eben die Geschichte der bayerischen Mutter. Und Hausfrau.

In Bayern gab es keine alleinstehenden, kinderlosen Frauen, keine Prostituierten und keine Lesben.

Dafür gab es zig Nonnen und karitativ arbeitende Frauen. Gezeigt werden sechs Exponate zur Fabrikarbeit und 40 zum Thema "Nächstenliebe als Beruf". "Frauenarbeit - das vergessene Fundament der Geschichte" zeigt tüchtige Bäuerinnen oder "A-Boari-gynnen"? bei der Feldarbeit. Und das auch noch mit Fotographien einer Frau! Daß Erika Groth-Schmachtenberger im Sinne des Nationalsozialismus fotografierte, um "nationalsozialistische Ästhetik" ins Bild zu fassen, starke bayerische Bäuerinnen, die auf dem Acker "ihren Mann stehen", weil der nämlich gerade Nichtdeutsche umbringen muß, erfährt frau nicht in der Ausstellung und nicht bei einer Führung. Wie kommt´s, daß 1998 diese Fotos immer noch auf einer Ausstellung in Bayern Geltung haben können?

Ein paar Wissenschaftlerinnen, ein bißchen Frauenbewegung, die paar progressiven Kräfte sind schließlich schnell aufgezählt und auch das nur unzureichend und undifferenziert.

Der Nationalsozialismus ist subsumiert unter dem Begriff "Selbst ist die Frau - Wandel in der Rechtsstellung", - mensch beachte diese Verhöhnung -, als "Frauenfeindliche Tendenzen in der Zeit des Nationalsozialismus". Wir erfahren vom NS-Mutterbild und daß bei der Förderung von "arischen", unverheirateten Müttern nicht etwa das Wohl der Mutter oder das des ungeborenen Lebens (sic!) im Vordergrund gestanden sei, sondern allein bevölkerungspolitische Ziele. Wir erfahren von jüdischen Frauen, die im "Verein für Fraueninteressen" tätig waren und von ihren einstigen Mitstreiterinnen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ausgeschlossen wurden und dann "den Strapazen in Theresienstadt nicht lange gewachsen" waren. Unter "Distanz und Widerstand" wird die Gründung des Bayerischen Mütterdienstes 1933 vorgestellt, denn "die christliche Botschaft wurde immer aus dem öffentlichen Bewußtsein und aus den Familien zurückgedrängt." Deswegen wollte der Bayerische Mütterdienst den Kindern durch "das Medium der Krippen die Weihnachtsgeschichte nahebringen" und sie als "als Gegengewicht zum nationalsozialistischen Neuheidentum" einsetzen. Wie widerständig, diese Bayerinnen!

Weiter geht´s mit dem Wiederaufbau.

Daß hier nicht über aktive Nationalsozialistinnen, über willige Vollstreckerinnen und über Mitläuferinnen oder natinalsozialistische Krankenschwestern, nicht über nationalsozialistische Vernichtungspolitik, über die Verfolgung von Jüdinnen, Lesben, Sinti und Roma, nicht über jüdischen, kommunistischen, gewerkschaftlichen und sonstigen Widerstand geschrieben wird, ist keine Nachlässigkeit der Schreiberin, sondern es kommt in der Ausstellung eben einfach nicht vor. Platzmangel?

Der Wiederaufbau in Bayern ist geprägt von den zahlreichen Flüchtlingen aus dem Sudetenland, aus Schlesien, Ostpreußen und den deutschen Siedlungen in den Balkanländern (sic!), so erfahren wir. Vorgestellt werden wiederum der Bayerische Mütterdienst, Else Müller, die sich für die Ökumene einsetzte, die Schwesternschaft des Bayerischen Roten Kreuzes und der "Frauenfunk". Auf einem Großbild ist ein Vertriebenentransport aus dem böhmischen Kurort Marienbad 1946 zu sehen und besonders das Schicksal der Konditorin Marlene Jackwerth aus ebendort erfüllt das Herz mit Rührung, denn mit einem geschmuggelten Oblateneisen schafft sie es innerhalb weniger Jahre zu einem lukrativen Betrieb, der jede Bayerin mit Stolz erfüllen muß.

Der Rest bis heute ist zu vernachlässigen, die 60er bis 90er Jahre enden in dem oben bereits geschilderten Zukunftsszenario.

Verabschiedet wird "der Besucher" (Zitat Stoiber in seinem Grußwort) von einer Hausfrauen-Schaufenster-Puppe mit zwei Kindern an der Hand, darüber die Frage, die sich wohl doch eher an die Besucherin wenden will: "Und was wird aus uns?"

Mag sein, daß Bayerns Ottonormalverbraucherin hiermit erstmals darauf hingewiesen wird, wieviele herr-voragende Frauen es wohl mal gegeben hat, darunter ganz arg viele tolle bayerische Kaiserinnen und Kurfürstinnen! Doch Tatsache ist, daß diese Mutter-Frauen-Ausstellung Gelder verschlungen hat, die zukünftigen, tatsächlich progressiven Frauenausstellungsprojekten ganz einfach fehlen. Aber wahrscheinlich hätten solche Ausstellungen sowieso nie öffentliche Gelder bekommen.

f.b.