Der Erlass Kaltenbrunners

Das siebenseitige Dokument (Abschrift des Originals aus dem Bundesarchiv Berlin R 58/1030), unterschrieben vom Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner, trägt den Titel "Tätigkeit der französischen katholischen Aktion unter den französischen Zivilarbeitern im Reich". Es wurde vom "antikatholischen Dezernat", der Abteilung IV B 1 erstellt, das für den "politischen Katholizismus" zuständig war. Dieser Erlass ist von den Historikern bisher kaum beachtet worden, obwohl er reichsweit Verfolgungsaktionen auslöste und einige Hundert Opfer forderte.
Nachdem die französischen Bischöfe die Erlaubnis für eine seelsorgerische Betreuung der französischen Zivilarbeiter bei der nationalsozialistischen Regierung in Berlin nicht erreichen konnten, entschlossen sie sich die Mission Saint Paul ins Leben zu rufen, und schickten im Laufe des Jahres 1943 26 Geheimpriester nach Deutschland. Diese bauten mit Hilfe von französischen CAJ-lern und Pfadfindern, die sie unter den Zivilarbeitern fanden, eine eigene Organisation zur Betreuung der Zivilarbeiter auf.
Am 3. Dezember 1943 erließ Kaltenbrunner seine Direktive an die Gestapo- Dienststellen und damit setzte die Verfolgung der Priester und CAJ-Gruppen unter den Zivilarbeitern ein. Die Welle der Verfolgung erreichte im Frühjahr 1944 ihren Höhepunkt. Einige der gefassten Aktivisten wurden nach Frankreich zurückgeschickt, aber die Mehrzahl fand sich in den Konzentrationslagern wieder, wie auch Marcel Callo.
Die seelsorgerische Tätigkeit dieser Aktivisten und ihre Erlebnisse in der Gefangenschaft und im Konzentrationslager sind im Buch "Mission in Thüringen" sehr lebensnah und mitreißend geschildert.


Ernst Kaltenbrunner wird am 4. Oktober 1903 in Ried, Oberösterreich, als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Während seines Studiums der Chemie und Rechtswissenschaften in Graz ist er in einer schlagenden Burschenschaft aktiv und Sprecher der nationalistischen Studenten. Nach Promotion und der Referendarszeit bekommt er eine Anstellung in einer Linzer Anwaltskanzlei. 1930 Eintritt in die Nationalsozialistische Partei Österreichs und anschließend in die SS, 1937 überträgt ihn Himmler das Kommando über die gesamte österreichische SS. Nach dem Anschluss Österreichs ist er in Österreich am Aufbau der Gestapo, des SD und des Konzentrationslagers Mauthausen beteiligt. Nach der Ermordung Heydrichs im Januar 1943 wird er zum Chef des SD ernannt und steht an der Spitze des Reichssicherheitshauptamtes. Er befehligt damit den gesamten Polizeiapparat des Reiches.
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