Auf den Spuren der französischen Zwangsarbeitermissionare in Thüringen
Die internationale Studienreise der katholischen Arbeitnehmerbewegung Herz Jesu / St. Theresia Erlangen führte 51 Teilnehmer aus vier Nationen (Deutschland, Frankreich, Slowakei und Ungarn) zu den Wirkungsstätten französischer Zwangsarbeiter und Missionare in Thüringen. In der Begegnung, dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und einem Studientag führte sie zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der Geschichte, um daraus die wahre Versöhnung zwischen den Völkern Europas zu stiften und ein einiges und christliches Europa zu schaffen. Sie wird daher vom "Versöhnungsfonds der Katholischen Kirche Deutschlands" gefördert.
Während des Zweiten Weltkriegs ließen die Nazis über 650 000 junge Franzosen rekrutieren und als Zwangsarbeiter nach Deutschland schaffen, um die an die russische Front geschickten deutschen Arbeiter in den kriegswichtigen Betrieben zu ersetzen. Unter den Zwangsarbeitern waren auch Priester, Seminaristen und Aktive aus den katholischen Laienorganisationen der Christlichen Arbeiterjugend und der Pfadfinder. Sie waren vor allem gekommen, um unter ihren Kameraden in den Fabriken und Lagern brüderlich im christlichen Sinn zu wirken und ihnen ihr tristes Leben zu erleichtern.
Die Studienreise begleitete ein ehemaliger Zwangsarbeiter, Pater Paul Beschet SJ aus Francheville, Frankreich, der während des 2. Weltkriegs in Sondershausen im Werk der Firma Brunnquell eingesetzt war. Er war damals Seminarist und kümmerte sich um seine Kameraden in den Arbeitslagern Nordthüringens.
Außerdem nahmen die Geschwister von ehemaligen französischen Zwangsarbeitern teil, die in Erfurt und Zella-Mehlis wirkten und in den Konzentrationslagern Flossenbürg und Mauthausen umgekommen sind. Die Familie Callo aus Rennes, Frankreich, vertreten durch Michel und Michelle Callo, Marie-Thérèse Lemesle und Michel Le Rouzic, gedachte ihres Bruders Marcel, der in Zella-Mehlis als Zwangsarbeiter eingesetzt war und im Konzentrationslager Mauthausen zu Tode kam. Jean Millet aus Thiais, Frankreich, besuchte die Wirkungsstätten seines Bruders Camille, der in Erfurt in einer großen Gärtnerei arbeitete und im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg starb.
Während dieser Studienreise besuchten die Teilnehmer einige der Wirkungsstätten der französischen Zwangsarbeitermissionare in Thüringen, die Pater Beschet auch in seinem Buch "Mission in Thüringen" erwähnt - Suhl, Zella-Mehlis, Gotha, Erfurt und Sondershausen - und gedachten dabei deren missionarischen Einsatzes und deren Schicksals. Die Reisegruppe hatte sogar die Gelegenheit, in Gotha das Gefängnis zu besichtigen und in dem Raum eine Gedenkfeier abzuhalten, in dem die Zwangsarbeitermissionare einige Monate festgehalten worden waren.
In Heiligenstadt, wo die Studienreisenden im Marcel-Callo-Haus ihre Unterkunft fanden, wurde das Schauspiel "Vollendet in kurzer Zeit - Marcel Callo und seine Gefährten" uraufgeführt. Die Künstlerin stellte in vier Bildern das Schicksal Marcel Callos und seiner Gefährten dar. Inge Hugenschmidt-Thürkauf verstand es, das Publikum so zu fesseln und zu erschüttern, dass es einige Minuten dauerte, bis der Schlussapplaus kam. Beim Hinausgehen hörte man immer wieder: "Ich bin erschlagen! Ich bin geplättet!" In einem Studienteil beschäftigten sich die Teilnehmer dort auch mit dem Thema "Wir sprengen unsere Ketten - Christentum und Kirche im Nationalsozialismus, der DDR und heute".
In Anwesenheit von Presse und Fernsehen stellte Pater Beschet SJ in Erfurt sein Buch "Mission in Thüringen" vor. Im Buch schildert er in einem tagebuchartigen Bericht in einer offenen und sachlichen Sprache, aber packend und in einer unter die Haut gehenden Art, seine Erlebnisse bei der Ankunft in Deutschland am 31. Juli 1943 als Zwangsarbeiter, von seiner Verhaftung und dem Verhör durch die Gestapo, während seines Aufenthalts in den Konzentrationslagern Flossenbürg und Zwickau und beim Todesmarsch als KZ-Häftling.
Diesen Bericht schrieb er schon bald nach Kriegsende auf, um, wie er bei der Buchvorstellung sagte, auf Anraten seines Seminarleiters im Studienkolleg nach all den schrecklichen Erlebnissen seine Studierfähigkeit und sein wissenschaftliches Denken wieder zu erlangen.
In Sondershausen war für Pater Beschet der Höhepunkt der Reise. Nach 60 Jahren kehrte er zum ersten Mal an seine Wirkungsstätte als Zwangsarbeitermissionar zurück. Er feierte dort seine erste hl. Messe in "seiner" Kirche, in der Kirche St. Elisabeth von Sondershausen. Er besuchte auch das damalige Stammlokal der französischen Zwangsarbeiter, den Ratskeller, der sich in den 60 Jahren baulich nicht verändert hat, und wurde vom Bürgermeister empfangen zur Eintragung ins Goldene Buch der Stadt.
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