Die Kostendeckende Einspeisevergütung

für Strom aus regenerativen Energien: "Aachener Modell" bzw. "Freisinger Pfennig"

von Christian Dürschner (August 1996, überarbeitet 1998)

Die Bundestarifordnung Elektrizität (BTO Elt) fordert in ihrem § 1, daß die Energieversorgungsunternehmen (EVU) Tarife anbieten, "die den [...] Erfordernissen der Ressourcenschonung und möglichst geringen Umweltbelastungen genügen". Ein Weg, diese Forderung zu erfüllen, ist die Kostendeckende Einspeisevergütung.

Das Prinzip der Kostendeckenden Vergütung (KV)
Betreiber von Solar- oder Windkraftanlagen speisen allen erzeugten Strom ins öffentliche Stromnetz ein. Die EVU kaufen diesen Strom zu einem Preis, mit dem eine technisch optimierte Solaranlage des gleichen Baujahres finanziert und betrieben werden kann. Die Mehrkosten, die dem EVU hierdurch entstehen, dürfen auf den Strompreis für alle Kunden umgelegt werden (vgl. Grafik).

Dieses Prinzip ist im Bereich der Elektrizitätswirtschaft nicht neu. Der "Strom aus der Steckdose" ist ein Gemisch unterschiedlichster Herkunft. Strom aus Braunkohlekraftwerken ist dabei sehr billig; Pumpspeicherkraftwerke, die kurzfristig auftretende Bedarfsspitzen abfangen sollen (Stichwort: Versorgungssicherheit), liefern vergleichsweise teueren Strom. Die Stromkunden zahlen aber immer nur einen Mischpreis entsprechend den Anteilen der verschiedenen Stromsorten.

In diesen Strommix werden jetzt Solar- und Windenergie mit aufgenommen. Der Strompreis ist nach wie vor ein Mischpreis, den Anteilen der Stromsorten entsprechend. Die Höhe der KV beträgt z.Zt. 1,76 DM (bis 1996: 2,00 DM, in 1997/98: 1,89 DM) für jede eingespeiste kWh Sonnenstrom. Wer eine Photovoltaik-Anlage betreibt, die den Strom teurer liefert als die zugrunde gelegte Musteranlage, trägt die Verluste selbst. Wer den Strom billiger herstellen kann, erzielt einen bescheidenen Gewinn. So besteht ein großer Anreiz, die Anlagen so preiswert und effektiv wie möglich zu bauen und sie jederzeit instand zu halten. Es ergibt sich ein Wettbewerb der Installateure um die preisgünstigste und effektivste Anlage, der sich auch auf die Hersteller überträgt. Dies trägt mit zur Senkung der Anlagenpreise und somit zu einer niedrigeren Einspeisevergütung für die nächste Generation von Photovoltaik-Anlagen bei.

Wie wird die Kostendeckende Einspeisevergütung eingeführt?
Die Kommunen als Eigentümer der Stadtwerke können einen entsprechenden Beschluß fassen, um das (eigene) EVU zu veranlassen, KV zu zahlen. Falls Kommunen ihren Strom von einem regionalen oder überregionalen EVU beziehen, können sie die KV mit in den Konzessionsvertrag aufnehmen. Die KV kann auch durch das aufnehmende EVU nach dessen eigener unternehmerischer Entscheidung gezahlt werden. Nachdem die Entscheidung zugunsten der KV getroffen ist, werden zwischen dem EVU und den Strom-Einspeisern entsprechende Liefer- und Vergütungsverträge abgeschlossen.

Danach, wenn die ersten Mehrkosten entstanden sind oder aufgrund einer realitätsnahen Prognose absehbar sind, kann das EVU bei der zuständigen Strompreisaufsicht einen Antrag auf Strompreiserhöhung stellen. BTO Elt § 11 Satz 4 bestimmt, daß die Kosten aus Einspeise-Verträgen von der Preisaufsicht auch dann anzuerkennen sind, wenn sie über die beim aufnehmenden EVU auch längerfristig eingesparten Kosten hinausgehen. Rechtsgutachter Professor Immenga (Göttingen) hält eine Strompreiserhöhung von bis zu 5 % für genehmigungsfähig, da man "noch von einer preisgünstigen Tarifbildung sprechen (kann), wenn die Erhöhung für die Tarifkunden nicht mehr als 3 % des bisherigen Preises für eine kWh ausmacht. [...] Sind zusätzlich umweltpolitische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, so muß einer maßvoll darüber hinausgehende Erhöhung von wenigen Prozenten [...] hingenommen werden. Andernfalls wird dem Gebot der Gleichrangigkeit umweltpolitischer Gesichtspunkte [...] nicht entsprochen." (Prof. Immenga: Preisaufsicht bei der Einspeisung regenerativer Energien).

KV als Bundesgesetz?
Grundlage der KV ist eine Bundesverordnung (BTO Elt). Ein Bundesgesetz könnte die Einführung der KV wesentlich beschleunigen. Der Solarenergie-Förderverein e.V. aus Aachen als eigentlicher Initiator dieser Idee steht auf dem Standpunkt, daß die Kostendeckende Vergütung für Solaranlagen durch ein Ergänzungsgesetz zum Stromeinspeisungsgesetz bundesweit verbindlich geregelt werden muß und hat dazu auch einen entsprechenden Gesetzentwurf ausgearbeitet. Dies ist ein Weg, die KV zu bekommen (sprich: "KV von oben"). Bei der KV sollte aber nicht nur auf ein Bundesgesetz gewartet werden, denn Strompreisaufsicht ist Ländersache.

Was sagt Bayern zur KV ?
Engagierten Kommunen bietet sich mit der Einführung der KV vor Ort (sprich: "KV von unten") die Gelegenheit, aktiv zu einer weiteren Verbreitung der Solarenergie beizutragen. Speziell für Bayern gilt: Es ist grundsätzlich möglich, KV zu zahlen.

Der bayerische Wirtschaftsminister hat bereits im August 1994 (!) eine Umlage der Mehrkosten bei der KV auf die Tarifabnehmer für genehmigungsfähig erklärt. Diese Umlage darf (in Bayern) bislang maximal zu einer Strompreiserhöhung von 0,15 Pf/kWh führen. Dies engt den Spielraum der Kommunen hinsichtlich KV etwas ein, da dies nur einer Strompreiserhöhung von ca. 0,6 % entspricht. Die bayerischen Solarvereine setzen sich nachdrücklich für eine Erhöhung dieser willkürlichen Begrenzung ein, da der Strompreis bis zu 5 % angehoben werden dürfte (s.o.). Der Anteil der KV ("Solarpfennig") am Strompreis ist auch dann noch geringer als die Konzessionsabgabe und auch deutlich geringer als der Anfang 1996 abgeschaffte "Kohlepfennig".

Am 12. Dezember 1995 hat der Bayerische Landtag auf Antrag der CSU folgendes beschlossen: "Die Staatsregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, daß die bayerischen Energieversorgungsunternehmen den Einsatz umweltfreundlicher neuer Energien ggf. auch unter Wahrnehmung der Möglichkeit einer zweckgebundenen Erhöhung der Stromtarife fördern." Anfang des Jahres 1996 wurden daraufhin die bayerischen Energieversorger vom bayerischen Wirtschaftsministerium angeschrieben und gebeten, diesen Beschluß umzusetzen.

Welche Auswirkungen hätte die KV in Erlangen ?
Derzeit sind im Versorgungsgebiet der Erlanger Stadtwerke AG sechzehn Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 53,3 kWp installiert (Stand: 25. Juli 1996). Für die KV kommen allerdings nicht alle dieser sog. Altanlagen in Betracht, da sie teilweise unter der Ausnutzung von Fördermitteln errichtet wurden (was den Vergütungssatz entsprechend reduziert) bzw. den erzeugten Solarstrom gar nicht in das Netz der Erlanger Stadtwerke AG einspeisen (was eine Vergütung ausschließt). Für die bestehenden Photovoltaik-Anlagen müßten derzeit jährlich (abhängig vom Anlagenertrag) insgesamt rund 17.000 DM als Vergütung bezahlt werden.

Dies würde für die Einwohner Erlangens eine Strompreiserhöhung von rund 0,01 Pf/kWh bei ausschließlicher Belastung der Tarifkunden bedeuten. Der vom bayerischen Wirtschaftsministerium für genehmigungsfähig bezeichnete Spielraum mit einer Strompreiserhöhung von 0,15 Pf/kWh würde es ermöglichen, daß in Erlangen rund 130 kWp Solarleistung neu installiert werden könnten. Die Vergütung würde dann insgesamt rund 250.000 DM jährlich betragen. Ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Stromverbrauch von rund 3.000 kWh pro Jahr würde nur mit jährlich 4,50 DM belastet werden. Dieser kleine Beitrag sollte uns die Förderung der Photovoltaik und unsere Umwelt wert sein!

Hier gibt´s bereits KV:
In Bayern wird u.a. in folgenden Kommunen KV gezahlt: Freising, Fürstenfeldbruck, Hammelburg, Nürnberg, Roth, Baiersdorf...

Am positiven Beispiel Nürnbergs soll hier kurz verdeutlicht werden, daß weder auf das zuständige Energieversorgungsunternehmen (hier: EWAG) noch auf die betroffene Kommune (hier: Stadt Nürnberg) durch die Einführung der KV Kosten zukommen, die zu einer Gewinnschmälerung bzw. Belastung des kommunalen Haushaltes führen, da die Mehrkosten durch die KV auf den Strompreis umgelegt werden dürfen: Durch eine Anzeige in den Nürnberger Nachrichten vom 31. Juli 1996 informierte die EWAG ihre Kunden über die ab dem 01. August 1996 geltenden Tarifpreise der Stromversorgung in Nürnberg wie folgt:

"Gemäß Beschluß der Stadt Nürnberg wird im Rahmen des CO2-Minderungsprogrammes für die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik-Anlagen dem Betreiber eine kostendeckende Vergütung von 2,00 DM/kWh bezahlt. Zur Finanzierung dieser Kosten hat die Preisaufsichtsbehörde mit Bescheid Nr. 330-3163.1-N vom 03. Juli 1996 eine Anhebung des Arbeitspreises der Allgemeinen Tarife um 0,05 Pf/kWh (netto) genehmigt. Der Stadtrat zu Nürnberg hat am 03. Juli 1996 dieser Erhöhung zugestimmt."

Wann bekommt Erlangen die KV und was können SIE dazu tun?
Wie die obigen Ausführungen zeigen, wird durch die Einführung der KV weder der Gewinn des EVUs geschmälert noch der Stadtsäckel belastet. Die Belastung der einzelnen Bürger durch die Umlage der KV auf den Strompreis liegt im Bereich von Zehntel-Pfennigen pro kWh. Daher fordern wir Sie, liebe Leser, auf: Setzen auch Sie sich für die KV ein und helfen Sie uns bei unserer Überzeugungsarbeit. Fragen Sie Ihre Stadträtin bzw. Ihren Stadtrat, ob sie/er sich die Einführung der KV in Erlangen (bzw. Ihrer Gemeinde) vorstellen kann und ob er sich für dieses Ziel einsetzt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die KV mit parteiübergreifendem Konsens durchgesetzt werden kann. In Nürnberg z.B. wurde die KV zu Zeiten der rot-grünen Regierung beschlossen und nach dem sog. "Machtwechsel" von der schwarzen Regierung bestätigt. Es ist an der Zeit, die KV auch in Erlangen zu praktizieren - bitte helfen Sie mit!

 
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