Dritter Kongress "Medizin und Gewissen"

Nürnberg, 20.-22. Oktober 2006

Solidarität und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen


Hintergrund:

Mit dem Regierungswechsel 2005 wurde in der Gesundheitspolitik ein Trend zur Kommerzialisierung und Gewinnorientierung in der Medizin verstärkt, der bereits seit Jahren in der Gesetzgebung angelegt war: Reduktion von Leistungen, Ausweitung der Eigenfinanzierung und Instrumentalisierung der Arzt-Patienten-Beziehung.

Die bisher umfassende Gesundheitsversorgung wird tendenziell auf eine Basisversorgung reduziert und der Spielraum für die privat finanzierte Gesundheitsvorsorge und für gewinnorientierte Investoren vergrößert. In der Folge nimmt der Anteil der käuflichen Gesundheitsleistungen zu, und es wird zwangsläufig eine Frage des Geldbeutels sein, wer künftig noch Zugang zur optimalen medizinischen Behandlung haben wird.

Hintergrund dieser Veränderung ist u.a. die Neuinterpretation des Begriffs der „Notwendigkeit“ medizinischer Leistungen. Während „notwendig“ lange Zeit noch als das verstanden wurde, was medizinisch „möglich“ war, werden „notwendige“ Leistungen jetzt immer öfter als medizinische Basisversorgung verstanden.

Diese Umdeutung des zentralen Begriffs der „Notwendigkeit“ und die damit einhergehende Reduzierung der Leistungen im allgemeinen Leistungskatalog der GKV bringen im Alltag von Klinik und Praxis viele Ärztinnen und Ärzte in gravierende Gewissenskonflikte. Sie müssen vor sich selbst und gegenüber ihren Patient/innen immer öfter die Verweigerung von Leistungen rechtfertigen oder diese verschleiern. Die Folge sind Anpassungs- und Gewöhnungsprozesse, und mit der Rechtfertigung den Patienten gegenüber geht nicht selten der Selbstbetrug des eigenen Gewissens einher.

Ziel:

Vor dem Hintergrund dieser in Studien belegten Alltagserfahrung von Beschäftigen im Gesundheitswesen war es das Ziel des Kongresses, über Auswirkungen der Kommerzialisierung der Medizin zu informieren und wesentliche Anforderungen an ein gerechtes und solidarisches Gesundheitswesen zu formulieren; ein Gesundheitswesen, das sich eben nicht zuerst als eine Wirtschaftsbranche versteht.

Der dritte Kongress „Medizin und Gewissen“ diente erneut der ärztlichen Selbstreflexion mit der Absicht, politisch zu wirken, ohne Standespolitik zu betreiben. Er steht somit in der Tradition der beiden vorhergehenden Kongresse in Nürnberg 1996 und Erlangen 2001.

Inhalte:

Der rote Faden der bisherigen Reformpolitik
Funktionalisierung populärer Irrtümer der Gesundheitspolitik
Ökonomisierungseffekte in Krankenhausbetrieb und Praxisalltag
Individuelle Anpassungs- und Gewöhnungsprozesse
Verteilungsgerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung
Veränderungen der treuhänderischen Arzt-Patienten-Beziehung


Team:

Dr. Ingo Bonde, Klinik für Psychosomatik, Universität Essen
Ümit Degirmenci, Medizinstudent Universität Erlangen
Elisabeth Fritsch, Innere Medizin
Dr. Moritz Gerhardt, Innere Medizin, Köln
Jürgen Härlein, Dipl. Pflegepädagoge, Krankenpflegeschule Universität Erlangen
Tina Kaiser, Ärztin und Philosophiestudentin, Düsseldorf
Dr. Kerstin Klein, Psychiatrie, Krankenhaus Bremen-Nord
Stephan Kolb, Leiter "Centrum Kommunikation Information Bildung", Klinikum Nürnberg
Dr. Klaus Melf, Projektleiter Medizinische Friedensarbeit, Universität Tromsoe
Caroline Wolf, PJ-Studentin, Speyer

 
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